Wolkenimpfen

15.05.2024

Normal 0 21 false false false DE X-NONE X-NONE Ein ethischer Blick auf Wettermanipulation durch Cloudseeding

Wolkenimpfen

Für alle Lebewesen  ist Wasser ein unverzichtbares Gut. Dabei ist es nicht nur in seiner Reinform als Trinkwasser essentiell, auch für die Nahrungsmittelproduktion unabdingbar. Dementsprechend sind politische Entscheidungsträger bemüht, eine ausreichende Versorgung mit dieser kostbaren Ressource in allen Sektoren zu gewährleisten. Einige Länder setzen dabei auf eine neuartige und umstrittene Technologie.

Wasserknappheit - eine globale Herausforderung

Nach Angaben der Vereinten Nationen stellt die Ressourcenknappheit von Wasser weltweit jedoch eine der größten Herausforderungen dar. Schätzungen zufolge werden bis zum Jahr 2025 rund 1,8 Milliarden Menschen mit Wasserknappheit konfrontiert sein, da die Nachfrage steigt und sich Umweltfaktoren wie die globale Erwärmung verändern.

Obwohl Wasser ein knappes Gut ist, werden „Verteilungskämpfe“ bislang äußerst selten durch Waffengewalt ausgetragen. Eine Knappheit der Süßwasserressource gilt vielmehr als Bedrohungsmultiplikator in Räumen, die bereits politische und sozioökonomische Instabilitäten aufweisen. In der politischen Konfliktforschung wird aktuell die Meinung vertreten, dass die Wahrscheinlichkeit für reine „Wasserkriege“ als eher gering einzustufen ist.

Im Gegenteil: Wasserverfügbarkeit kann ein Faktor dafür sein, dass sich verschiedene Interessensvertreter friedlich zusammenschließen, um als Prozess des sog. „environmental peacebuilding“ eine faire Wasserversorgung für eine Region anzustreben.

Technologie gegen Wassernot

Um den Herausforderungen der Wasserversorgung zu begegnen, haben zahlreiche Stakeholder damit begonnen, diesem Problem durch technische Lösung entgegenzutreten. Während Staudämme bereits seit ägyptischer Vorzeit bekannt sind, stellen Technologien zur Beeinflussung von Wetterphänomenen eine jüngere Entwicklung dar. Obwohl verschiedene Konzepte und Erfindungen zur direkten Manipulation des Wetters bereits einige Jahrzehnte existieren, hat der Drang, diesen Bereich der Wetteränderung zu beherrschen, in den letzten Jahren stark zugenommen.

Staudamm
Der Hoover Dam in Arizona ermöglicht Bewässerung auch in Dürreperioden.
WolkenImpfen
Schematische Darstellung Wolkenimpfen (wikipedia)

Wolkenimpfen oder auch Cloud Seeding ist eine bereits weniger bekannte, aber gängige Praxis für Industrieunternehmen, um teure Güter wie auf Produktionsparkplätzen gelagerte Neuwagen vor gefährlichem Wetter zu schützen. Beim Cloud Seeding werden Wolken von Flugzeugen oder Drohnen aus gezielt mit speziellen Partikeln injiziert, also „geimpft“ (Eine weitere Zuführungsmethode ist der Einsatz von mit Chemikalien beladenen Raketen). Häufig kommen dabei Substanzen wie Silberiodid oder Trockeneis zum Einsatz. Diese Partikel fördern die Kondensation von Wasserdampf in den Wolken, wodurch der Niederschlag angeregt wird.

 

Obgleich der Einsatz gängige Praxis ist, behaupten Kritiker, dass ein erfolgreicher Versuch des Cloud Seeding zwar theoretisch möglich, aber dennoch Glückssache sei. Sie weisen darauf hin, dass es nicht genügend Forschungsergebnisse gibt, um den Einsatz dieser Technik im Resultat auf bestimmte Wetterphänomene zurückzuführen. Dennoch setzen Staaten vermehrt auf diesen Ansatz: Die Vereinigten Arabischen Emirate haben allein 20 Millionen Dollar in ein Projekt investiert, das das Potenzial von Cloud Seeding bis zum Jahr 2024 erforscht. Das wasserarme Land will durch strategisches Wolkenimpfen die jährliche Niederschlagsmenge erhöhen, um seinen Lebensstandard zu verbessern.

Ethische Perspektiven auf Wolkenimpfen - Vorüberlegungen

Bevor die Technologie des Wolkenimpfens ethisch untersucht werden kann, ist es noch einmal sinnvoll, das Grundproblem zu analysieren. Wasserknappheit, genauer die von Trinkwasser, ist wie viele andere Ressourcenknappheiten ein von regionalen Disparitäten geprägtes Problem. Niederschlagsarme Regionen leiden besonders an der Herausforderung einer unzureichenden Wasserversorgung. Zu der tatsächlichen Niederschlagsmenge gesellt sich– neben der gerechten Verteilung in politischer Hinsicht ­– die Frage nach der Technisierung des Wasserkreislaufes, also der Wasserinfrastruktur. In diesem Zusammenhang ist der sozioökonomische Faktor entscheidend: Die reichen Staaten der Golfregion schaffen für weite Bevölkerungsteile einen Alltag, der den weltweiten pro Kopf Verbrauch an Wasser um das Doppelte – in den Emiraten bei etwa 600 Liter pro Tag –  übersteigt. Im Sudan, einem Land, das sich über denselben Breitengrad erstreckt wie einige Länder der Golfregion, leiden etwa 50 % der Bevölkerung an Zugang zu sauberem Trinkwasser.

An dieser Stelle ist festzuhalten, dass selbst ein regionaler Nachteil wie eine wasserarme Umgebung wesentlich durch technologische Innovationen wettgemacht werden kann. Die Staaten der Golfregion setzen bereits seit längerem auf Smart Farms, Entsalzungsanlagen oder Tröpfchenbewässerung; Wolkenimpfen ist nur ein neuer Baustein einer längerfristigen Wasserstrategie. Es drängt sich die These auf, dass nicht der Wassermenge das Problem ist, sondern eigentlich die mangelnde Technisierung der jeweiligen Region. Dennoch bleibt die Frage, ob Wolkenimpfen Teil eben jener Wasserinfrastruktur sein sollte und nicht nur einen überzogenen solutionistischen Ansatz verfolgt.

Vorteile in der Wasserinfrastruktur haben bislang keine negativen Auswirkungen auf Nachbarregionen gehabt. Da das Impfen von Wolken die verfügbare Wassermenge nicht erhöht, sondern nur die Verteilung dieser natürlichen Ressourcen verändert, entsteht hier ein ethischer Problemfall. Lässt man die Frage der wissenschaftlich geprüften Effektivität von cloud seeding einmal beiseite, sieht man intuitiv, dass jede künstlich herbeigeführte Wolke in Staat A nun in einem Nachbarstaat B fehlen könnte – mit schwerwiegenden Folgen für das Leben vieler Menschen. Der Kampf um Wasser ist also nicht nur eine Frage der internationalen Beziehungen, sondern macht es erforderlich, verschiedene Blickwinkel

Ethische Perspektiven auf Wolkenimpfen - Einwände

1. Wasserverteilung als moralisches Problem

Wasser wird weithin als ein Menschenrecht angesehen. Auch wenn die Technologie zur Verbesserung des Wasserkreislaufs nützlich sein kann, muss Cloud Seeding sich den Vorwurf des Solutionismus gefallen lassen. Die Wasserverteilung könnte ein moralisches und politisches Problem sein, das keine Technologie braucht, die hoch technologisierte Länder begünstigt. Könnte die ungleiche Verteilung von Wasser durch den Einsatz von Cloud Seeding sogar noch verschlimmert werden und damit die ethische Forderung nach einer Grundversorgung an Trinkwasser für alle Menschen untergraben? Eine humanitäre Lösung, die globale Staatenbündnisse miteinbezieht, könnte zur Bekämpfung von Wasserknappheit wirksamer sein als neue Hochtechnologie.

2. Epistemische Risiken von Wettermanipulation

Ein Wettersystem basiert stark auf einer sogenannten Chaosdynamik. Jeder menschliche Eingriff in ein solches System könnte Folgen haben, die sich unserer Vorhersagefähigkeit entziehen. Es gibt erkenntnistheoretische Grenzen bei der Bewertung dieser Technologie, die sich von anderen Technologiebereichen der Wasserversorgung unterscheiden. Diese können sich auf die ethische Bewertung auswirken, insbesondere wenn es um Fragen der Unumkehrbarkeit von Natureingriffen geht.

3. Sicherheitspolitische Einwände

Die ENMOD-Konvention (Environmental Modification Convention) verbietet den Einsatz von Wettermanipulationen für feindliche Zwecke auf der Grundlage eines politischen Vertrages. Man könnte argumentieren, dass Cloud Seeding für humanitäre Zwecke als Waffe der hybriden Kriegsführung missbraucht werden könnte. Dies wirft die ethische Frage auf, ob eine Änderung der Politik zugunsten von Cloud Seeding als Technologie und eine potenzielle Verbesserung der Lebensbedingungen die Risiken rechtfertigen, die mit der weltweiten Akzeptanz ihrer Anwendung einhergehen.

Wolkenimpfen - im Fazit eine ethisch fragwürdige Technologie

Ethische Überlegungen sind häufig Güterabwägungen. Auch in diesem Fall gibt es in der Betrachtung der Technologie Für und Wider. Allerdings unter Einschränkungen, da das wesentliche ethische Problem in der Debatte um Wolkenimpfen von epistemischer Natur ist. Bisher lässt sich nicht genau sagen, wie effektiv Cloudseeding in der Anwendung tatsächlich ist. Es handelt sich bei der Technologie vielmehr um eine Methode zur Niederschlagssteuerung, die aber keinen unmittelbaren Mehrwert Richtung nachhaltiger Wasserkreislaufwirtschaft hat. Darüber hinaus ist neben der eigentlichen Effektivität nicht ersichtlich, welche möglichen Folgeschäden ein Eingriff in die Chaosdynamik von Wetter hat. Aus diesen Gründen ist eine saubere Güterabwägung erschwert, die wiederum alle Argumente berücksichtigen muss, erschwert.

Insofern die Effektivität der Methode evaluiert werden kann, könnte ein Einsatz der Technologie zur Unwetterbekämpfung ethisch vertreten werden: Wenn eine dicht besiedelte Region unmittelbar von Regenfällen bedroht ist und ein Hochwasser verheerende Schäden anrichten würde, kann ein Einsatz der Technologie sogar geboten sein. Die Anwendung von Wolkenimpfen sollte jedoch für diese Zwecke explizit durch internationale Abkommen geregelt sein, damit nicht letztendlich doch Wasser zum Streitpunkt kriegerischer Konflikte mutiert.

Um das eigentliche Problem, das der Wasserknappheit, zu adressieren, bieten sich einerseits eine Reduktion des Wasserverbrauchs an und andererseits technologische Lösungen wie energieintensive Entsalzungsanlagen. Letztendlich ist Energie auch beim Thema Wasserknappheit ein Flaschenhals, dessen Überwindung viel zu der Lösung dieses drängenden Problems beitragen kann. Wolkenimpfen hingegen erweist sich zum heutigen Tag als eher umstrittene Technologie, dessen Wirkung in Anbetracht unkalkulierbarer Folgen und ethischer Bedanken nur einen geringen Nutzen hat.